Samstag, 8. April 2006

Covenant - Der Weg ist das Ziel

covenant Eskil Simonsson, Joakim Montelius und Clas Nachmanson gehören zu den bestgekleideten Menschen im Musikgeschäft. Doch wenn sie ihre Koffer öffnen, befinden sich darin keine Business-Pläne oder Marketing-Strategien. Wenn sie zusammentreffen, bilden sie die Electro-Formation Covenant. Anzüge sind ihre Bühnengarderobe und im Gepäck führen sie ein brandneues Album namens „Skyshaper“ mit. Sie sind Gentlemen mit perfekten Manieren: höflich, zurückhaltend - und dennoch hintergründig witzig. Ihr betont seriöses Auftreten konterkariert die Energie und industrielle Schärfe, die ihrer Musik innewohnt. Ein bewusster Zug – das Setzen von Reizpunkten, das Spiel mit den Gegensätzen, das sich durch das gesamte Wirken der Band zieht.

Skandinavische Kühle, geprägt von Kraftwerk und dem Neon-Charme der New-Wave-Periode, verbindet sich mit den wuchtigen Stakkato-Beats belgischer EBM. Filtert man diese aufgeladene Ur-Materie durch verschiedene Katalysatoren der Dance-Music, entsteht jener Extrakt, der den Covenant-Sound ausmacht und sich trotz bekannter Elemente in seiner spezifischen Ausformung jeglichem Vergleich entzieht.

Als ‚Pop Music with an edge’ bezeichnen sie ihren Stil, wobei sich der Begriff ‚Pop’ vor allem darauf gründet, dass ihre Stücke „auf dem Prinzip Strophe-Refrain basieren“, wie Joakim Montelius gerne erklärt, „aber Dance war stets ein wichtiges Element in unserer Musik. Früher hätte man unsere Musik als altmodisch bezeichnen können, doch als wir um 1990 all diese faszinierenden neuen Sachen hörten, wurde uns klar, dass es keine Grenzen gibt. Die Techno-Revolution war das letzte fehlende Puzzle-Teil unserer Inspiration.“

Covenant sind Bastler und Fanatiker. Musik ist ihre Obsession, das Streben nach Perfektion ihre Antriebsfeder. Wenn man Kraftwerk zum Vorbild hat (Joakim: „Die Größten aller Zeiten.“), ist das möglicherweise unvermeidlich. So holt sich die Band Anregungen von Front 242 ebenso wie von Aphex Twin und Joakim findet keine Ruhe, bevor er beispielsweise ergründet hat, wie bestimmte Effekte auf den ‚Clicks and Cuts’-Compilations von Mille Plateaux erzeugt wurden, um diese für ihre Zwecke umzumünzen. „In den letzten Jahren gab es unglaublich viele spannende Veröffentlichungen“, sagt Joakim und sprudelt als Beispiele T.Raumschmiere, Anthony Rother und das Kompakt-Programm heraus. Begeistert ist er auch von der Anerkennung, die sein Landsmann Jesper Dahlbäck derzeit erfährt. „Er ist riesig, ein Urgestein. Er scheint schon ewig dabei zu sein. Ich liebe zum Beispiel die Drumcode-Geschichten, höre sie mir sogar zu Hause an, obwohl sie im Club besser funktionieren. Die Musik scheint sich derzeit nicht in eine spezifische Richtung zu entwickeln, sondern wächst in allen Bereichen – das ist toll“, fügt er hinzu.

Die Schweden saugen Inspirationen begierig auf. Feste Teile ihres Konzepts werden mit frischen Einflüssen kombiniert und das Ganze zu etwas Neuartigem umgearbeitet. Der Wille, sich stets neu zu erfinden, bestimmt die Musik von Covenant. Wie ihre Vorbilder aus Düsseldorf verkaufen sie niemals Equipment, sondern fügen ihrem Studio stets neue Möglichkeiten hinzu. Dabei wirken ihre Stücke nie überladen. Typisch für Covenant ist es, mit ihrem druckvollen Sound Energien aufzubauen, die immer kurz vor der Explosion stehen. Ein vollständiger Ausbruch wird jedoch nicht gestattet, wodurch den Kompositionen stets eine gewisse Spannung innewohnt.

Bereits ihr Debüt-Album “Dreams of a cryotank” bringt ihnen in der Electro-Szene schnell erste Meriten als kraftvolle Performer mit unkonventionellem Sound sowie den Ruf eines mitreißenden Live-Acts ein. Als hilfreich erweist sich dabei wohl auch die Tatsache, dass Frontmann Eskil Simonsson bei weiblichen Fans manche Reserviertheit gegenüber härteren Electro-Sounds schwinden lässt.

Als stilbildend erweist sich das Folgealbum „Sequencer“, das Covenants Methode prägt, musikalische Botschaften zu transportieren. Die experimentellen Ansätze der Schweden laufen normalen Hörgewohnheiten entgegen und ihre sperrigen Sounds würden wohl weit weniger Akzeptanz erfahren, würden sie nicht durch eingängiges Songwriting derart getarnt, dass sie fast unbemerkt ihre sonst schwer verdauliche Fracht durch die Hintertür einschleusen.

Nach dem „Europa“-Album und dem erstaunlich vielseitigen Meisterwerk „United States of Mind“ scheint die Zeit schließlich reif für den großen Durchbruch. Covenant wagen den Schritt ins Major-Geschäft. Alexander Abraham (Klangwerk/LDC) ist auf die Band aufmerksam geworden und verpflichtet sie für sein frisch gegründetes Label ka2, das auf die Strukturen des Mediengiganten Sony zurückgreifen kann.

Der Longplayer „Northern Light“ erscheint 2002, begleitet von aufwändigen Promotion-Maßnahmen. Videoclips werden produziert, renommierte Künstler wie Ellen Allien, Christian Morgenstern oder Thomas P. Heckmann als Remixer gewonnen.

Auf ihrem fünften Studio-Album präsentiert sich die Band gereift, vielschichtig und erschließt neue Aspekte ihres musikalischen Schaffens. Der Aufbruch zu neuen Ufern erfährt jedoch keinen ungeteilten Beifall. Die Verkaufszahlen bleiben hinter den Erwartungen zurück. Gleichzeitig reagiert Sony mit drastischen Sparmaßnahmen auf die Krise der Musikindustrie. Ein neues Management kappt die Unterstützung für fast ein Dutzend Divisionen; auch ka2 fällt dem Rotstift zum Opfer - mitten in der Albumkampagne. Ein harter Schlag für Covenant. Joakim erinnert sich: “Ich denke, teilweise zielte die Vermarktung in die falsche Richtung - zum Schluss fehlte das Geld, da Sony die Mittel gestrichen hatte. Northern Light war wirklich ein Album, das nicht einfach zu promoten war. Es war absolut kein Mainstream, aber es war auch kein Underground-Sound. Manche Fans hatten vielleicht etwas anderes erwartet, wir stehen aber dahinter – es ist das Album, das wir machen wollten.“

Nach der Demission von ka2 rumort es in der Band. Abstand ist vonnöten. Während Clas in Helsingborg die Stellung hält, entflieht Joakim der Enge Schwedens vorübergehend in die pulsierende Metropole Barcelona: „Die Stadt strahlt unheimlich viel Energie aus. Man trifft eine Unmenge interessanter Leute aus aller Herren Länder. Es gibt tolle Clubs, die Kunstszene ist überall präsent. Eine sehr inspirierende Atmosphäre. Man kommt auf kreative Ideen, alleine wenn man durch die Straßen der Stadt geht.“ Eskil zieht es derweil ins nicht minder spannende Techno-Mekka Berlin, wo er immer noch lebt.

Covenant sammeln Kraft und starten nach zwei Jahren kreativer Pause neu. Nach 14 Monaten harter Arbeit ist „Skyshaper“ schließlich vollendet und die Wartezeit für die Fanbasis geht zu Ende. Die Band ist stolz auf ihr Schaffen. „Es ist eine nette kleine Platte, die für jeden etwas zu bieten hat – ein Album für die ganze Familie“, flachst Joakim. Auch das neue Werk offenbart die Qualitäten des reduzierten Songwritings, das zwischen menschlicher Wärme und maschineller Präzision balanciert. Doch es gibt auch Änderungen. „Die neue Scheibe ist um einiges rauer und deutlich elektronischer als Northern Light. Wir verwendeten alte Synthesizer und Drum Computer, um eine analoge Atmosphäre zu erzeugen“, so Joakim. Zudem fällt auf, dass Eskils Gesang zurückhaltender vorgetragen wird, teilweise fast atemlos wirkt und so der Musik in manchen Momenten den gewohnten Druck zugunsten zerbrechlicher Atmosphären vorenthält.

“Skyshaper“ weist die Covenant-typischen Gegenpole auf. Joakim, der für die Songtexte verantwortlich ist, gilt nicht ohne Grund als nachdenklicher Typ, der mit chiffrierten Lyrics die fundamentalen Fragen der menschlichen Existenz erforscht. Teils sind dies die düsteren Seiten des Lebens, die von der Gesellschaft gerne verdrängt werden. Als „melancholisches elektronisches Album“ umreißt er denn auch ihr neues Werk. Zugleich wird jedoch eine optimistische Botschaft vermittelt. Denn „Skyshaper“ steht symbolisch für ein Ziel, das unerreichbar scheint. Doch alleine das Greifen nach den Sternen, das Streben nach vermeintlichen Luftschlössern verleiht dem menschlichen Dasein Sinn und Hoffnung. „Wir streben stets nach Optimismus. Oft erscheinen Probleme oberflächlich betrachtet unüberwindlich. Doch wenn wirklich alles so düster und schwierig wäre wie es scheint, wäre unsere Existenz quasi unmöglich. Die Probleme stehen für eine Herausforderung, die man annehmen muss, an der man wachsen kann - um etwas Bedeutsames zu erreichen“, erläutert Joakim die Idee hinter dem Titel. „Unsere Herausforderung beispielsweise ist die Musik. Wir suchen den perfekten Song. Und obwohl uns bewusst ist, dass wir ihn nie finden werden, geben wir immer wieder unser Bestes, um dem möglichst nahe zu kommen.“ Ein wenig Altersweisheit schwingt hier vielleicht augenzwinkernd auch bereits mit, denn die Band nährt sich stetig der magischen Grenze von ‚Mach 4’. Am Ende ihrer Entwicklung sind sie dabei sicher noch nicht angelangt und es wird interessant sein, den Werdegang zu verfolgen. So stellt „Skyshaper“ eine weitere Etappe Covenants auf dem Weg zur unerreichbaren Perfektion dar. In manchen Momenten scheinen sie ihr jedoch verflixt nahe zu kommen.

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