Northern Lite
Bequemer Sitz zwischen allen Stühlen
Manchmal mutet die Musikindustrie wie eine riesenhafte Etikettier-Straße an. Während ein Fließband unaufhörlich potenzielle neue Helden ausspuckt, prägt ein Stempelwerk vorgefertigte Vermarktungs-Etiketten auf, die anschließend nur schwer wieder abzuschütteln sind. Ab und zu kommt es aber selbst im Land der Maschinen-Riesen vor, dass eine widerborstige Band sich den Automatismen entzieht. Die Erfurter Formation Northern Lite ist ein solches Beispiel. Nicht umsonst ist ihr Sinnbild ein Verkehrsschild, das alle Beschränkungen aufhebt. Mit ihrer Vorstellung von Musik brechen sie Barrieren zwischen Techno und Rock auf. Wie selbstverständlich werden Northern Lite mit echten Songs, lässiger Gitarre und unterkühltem Gesang auf allen Techno-Festivals von Nature One bis Sonne Mond Sterne abgefeiert und sorgen auch im Ausland für enthusiastische Reaktionen. Der Erfolg kommt nicht von ungefähr. Da keine Plattenfirma ihre Vision teilte, wurde mit 1st Decade ein eigenes Imprint gegründet, das inzwischen über 100.000 Platten abgesetzt hat. Mit armut24 ist ein Sublabel hinzugekommen, das auf Clubtracks spezialisiert ist. Offizielle Anerkennung erhielt ihre Arbeit bei den diesjährigen Dance Music Awards, wo die Band zum besten Indie/Electro Act gewählt wurde. Nach dem gefeierten Erstlingswerk "Reach the sun" greifen Northern Lite mit ihrem Folge-Album "Temper" nach neuen Sternen. Die Band steht also mitten im Sonnenlicht - Andreas Kubat und Sebastian Bohn sind dabei Menschen wie du und ich geblieben.
Spricht man über Northern Lite, hört man meist als erstes einen Satz, den ich Euch einfach mal an den Kopf werfe: Ihr seid live besser als auf Platte.
S: Ja, das hören wir in der Tat häufig. Auf Schallplatte sind wir sicher ausgefeilter, live etwas rauher, dafür mit mehr Energie. Wir können damit ganz gut leben – besser als umgekehrt auf jeden Fall. Die Leute finden die Platten ja offensichtlich auch nicht schlecht. Aber wenn man auf eine Veranstaltung geht, möchte man etwas erleben und diese Emotionen kann eine Studioaufnahme gar nicht transportieren.
Was transportiert Euer neues Album "Temper"?
A: Da muss man vielleicht kurz auf den Vorgänger "Reach the sun" zurückblicken. Das war eine Art Compilation von Club-Tracks, die wir über drei Jahre angesammelt hatten und auf der CD zusammengefasst haben. Das Material auf "Temper" dagegen wurde zum Großteil speziell für das Album geschrieben. Wir hatten genauere Vorstellungen davon, wie wir klingen wollten. Wir haben bewusst ausprobiert, was gesanglich und musikalisch noch drin ist.
S: Wir hören an den Reaktionen, dass die Platte durchaus filigraner beim Publikum ankommt. Es drängt sich nicht sofort auf, erschließt sich erst beim zweiten, dritten Hören.
Für den Club sind die Stücke in den auf dem Album vorliegenden Versionen also eher weniger geeignet?
A: "Temper" ist zum Hören zu Hause gedacht. Die Platte ist viel variabler als "Reach the sun". Es ist nicht mehr die ganze Zeit 4/4-Beat mit 130 bpm. Wir haben es etwas aufgesplittet und sind in unterschiedliche Richtungen gegangen. Hier etwas Downbeat wie bei "Mirrorshape" oder auch mal richtig Gas geben wie etwa beim Ghosttrack.
Trotzdem werdet Ihr sicher den Club nicht aus dem Auge verlieren?!
A: Auf keinen Fall. Es wird auch weiterhin Vinyl-Auskopplungen mit speziellen Clubmixen geben, wie wir das bisher auch gemacht haben.
Ihr möchtet stilistische Grenzen überwinden und traut Euch gar zu, ein neues Genre zu definieren, in dem Techno, Rock und Electro verschmelzen. So ganz neu ist der Versuch aber nicht.
A: Es hat natürlich immer etwas mit der Umsetzung zu tun. Es gibt verschiedene Einflüsse, die da zusammenkommen. Wir wollen auch nicht sagen, wir hätten die Tonleiter neu erfunden. Ich denke, die Art der Mischung ist schon neu. Für uns als Musiker ist es aber schwierig, das mit Worten zu erklären, da wir Leute nicht mit Argumenten überzeugen wollen, sondern mit Tönen.
S: Es ist viel von allem im Album enthalten. Es ist Rock drin, es ist Techno drin, es ist sicherlich auch Pop drin. Es mögen sogar manchmal House- und Blues-Elemente untergemischt sein. Wenn man es rein auf die Beats reduziert, ist es größtenteils aber elektronisch.
Eines Eurer Markenzeichen ist die Gitarre – hierfür habt Ihr ein neues Bandmitglied gefunden.
A: Ja, Sascha Littek ist quasi ein Junge von "um die Ecke". Er beherrscht seine Sache wirklich, spielt seit 12 Jahren in eher härteren Bands und passt menschlich prima zu uns.
Was natürlich nicht verschwiegen werden darf: Ihr habt den Dance Music Award als beste Indie/Electro Künstler gewonnen. Habt Ihr das verdient?
S: Wir haben nicht unbedingt damit gerechnet. Wenn man sich die anderen Nominierten so ansieht, hätte ich persönlich auf 2Raumwohnung getippt.
A: (schmunzelnd) Inga Humpe hat ja mit ihrem lasziven Gesang schon gewisse Vorteile.
Den Echo der Musikindustrie in ‚Eurer’ Kategorie haben Rammstein gewonnen. Könnt Ihr irgendeine Ähnlichkeit feststellen?
S: Ich glaube nicht, außer dass vielleicht das Verhältnis von Elektronik und Gitarre bei ihnen genau umgekehrt ist. Dort steht die Rockmusik im Vordergrund, so wie bei uns die Elektronik.
Northern Lite sind also die umgekehrten Rammstein.
S: (lacht) Um Gottes Willen.
Den Echo für den besten Dance Act hat Eric Prydz gewonnen.
S: Der hat ja auch das schönste Aerobic-Video seit Cindy Crawford herausgebracht. Allerdings denke ich, dass der Begriff ‚Dance’ ohnehin oft sehr missverständlich gebraucht wird.
Braucht Techno einen Gala-Abend mit Versace-Klamotten?
S: Für uns persönlich war es natürlich eine tolle Erfahrung und ein sehr schöner Abend. Wir kamen aber auch mit weniger feinem Zwirn ganz gut zurecht.
Indie/Electro ist das Stichwort. Ihr sitzt zwischen allen Stühlen, aber da kann man es sich offenbar ganz bequem machen.
A: Kategorisierungen sehe ich sehr gelassen, da wir schon in so ziemlich jede Schublade gesteckt wurden. Die Bezeichnung ist nicht so wichtig, es muss einfach Spaß machen. Davon abgesehen fühlen wir uns aber im Electro-Lager wohl, da wir aus dieser Ecke stammen. Wir sind alle Front 242 Fans. Ich denke, das wird von den Fans auch wahrgenommen. Das Album wird auch in Alternative-Clubs gespielt.
Verglichen mit der Electro-Szene, seid Ihr aber im Techno-Bereich sehr viel erfolgreicher. Wundert Euch das?
A: Eigentlich nicht. Vor fünf, sechs Jahren haben wir noch ohne Gitarre gespielt und sind auf Techno-Veranstaltungen aufgetreten. Dort hat uns das Publikum eigentlich zuerst gesehen und da hat es sich zuerst rumgesprochen. Alles andere kam dann erst später.
Was ist denn Euer Geheimnis – wie wurde aus einer unbekannten Nachwuchsband ein so gefragter Live Act?
A: Wir haben natürlich auch ganz klein angefangen und für ganz wenig Geld gespielt, manchmal sogar noch draufgelegt, damit wir irgendwo auftreten konnten. Irgendwann ist der Funke einfach übergesprungen. Wir haben ein ganz kleines Konzert gegeben im Sternradio in Berlin. Da waren nur 200 Leute, aber die sind völlig durchgedreht. Es begann sich rumzusprechen und wurde ganz einfach mehr und mehr.
Da könnt Ihr selbstbewusst sagen, dass Ihr eine gute Live-Band seid.
A: Ja, ich denke schon.
Fehlt vielleicht genau etwas von diesem Band-Erlebnis im Techno-Sektor? Laptop-Akrobatik ist für ein Konzert ja nicht eben anheizend.
A: Mag sein, dass das Publikum dies vielleicht weniger gewohnt ist. Allerdings könnte man ja genau davon auch abgestoßen sein – das ist aber nicht passiert. Auch im Club hat sich noch niemand an der Gitarre gestört.
S: Ich denke, dass wir einen gewissen Bogen schlagen – von den reinen Electro- oder Techno-Geschichten in Richtung Rock. Wir haben auch wie eine "echte" Rockband eine solide Fanbasis. Seit einiger Zeit geht die Entwicklung auch zumindest teilweise in Richtung Song-Strukturen. Mit den Neo Pop Compilations haben wir genau solche Songs aus dem großen Feld elektronischer Musik herausgesucht.
Ist Neo Pop mehr als Electroclash?
S: (lacht) Mehr ist gut. Unter Electroclash stellt man sich musikalisch etwas sehr konkretes vor. Neo Pop ist eine offene Sache, die in zehn Jahren etwas ganz anderes sein könnte. Allerdings gibt es Leute, die aus Neo Pop schon eine Art Schublade wie Electro gemacht haben - aber es ist nicht so gedacht. Die Compilations waren dafür gedacht, Musik in dem Kontext unserer eigenen Sachen zu präsentieren.
Geht das nur mit einem eigenen Label?
A: Als wir 1st Decade gründeten, geschah das aus dem Wunsch heraus, überhaupt mal etwas zu veröffentlichen. Irgendwann waren wir von der Situation so gestresst, bei jedem Major abgelehnt zu werden, dass wir aus lauter Trotz gesagt haben, jetzt machen wir selber was. Und die Option, zu einem kleineren Indie-Label zu gehen, war dann irgendwann nicht mehr relevant, weil wir die selben Möglichkeiten mit 1st Decade auch hatten. Und dann wäre es ein Rückschritt gewesen, weil wir nicht mehr so flexibel gewesen wären. Dadurch, dass wir das eigene Label haben, können wir Entscheidungen sehr viel kurzfristiger treffen und die Bands mit einbeziehen.
Das ist auch ein Zeichen für andere: Man kann es packen.
S: Es gehört natürlich Glück dazu. Aber wir haben schon auch das Bedürfnis, den Leuten zu zeigen, dass man selbst etwas tun kann – gerade auch hier im Osten. Man sollte sich nicht unterkriegen lassen.
Glücklicherweise müsst Ihr dadurch nicht mehr als Installateur und Finanzbuchhalter arbeiten. Trotzdem müssen wir noch überprüfen, ob Ihr für die Zukunft gerüstet seid: Könnt Ihr eine Lasagne zubereiten?
S: Nach der Definition sind wir nicht lebensfähig. Ich kann allenfalls Rührei backen und Nudeln mit Tomatensoße kochen.
Kannst Du Deine Klamotten bügeln?
S. Das kann ich eigentlich auch nicht. Ich ziehe meine Sachen so an. Ich habe mir aber neulich ein, zwei Hemden gekauft, die müssten jetzt mal gebügelt werden. Ich muss wohl ein Bügeleisen kaufen und mal schauen, wie das funktioniert. Wie bei den Synthesizern.
Manchmal mutet die Musikindustrie wie eine riesenhafte Etikettier-Straße an. Während ein Fließband unaufhörlich potenzielle neue Helden ausspuckt, prägt ein Stempelwerk vorgefertigte Vermarktungs-Etiketten auf, die anschließend nur schwer wieder abzuschütteln sind. Ab und zu kommt es aber selbst im Land der Maschinen-Riesen vor, dass eine widerborstige Band sich den Automatismen entzieht. Die Erfurter Formation Northern Lite ist ein solches Beispiel. Nicht umsonst ist ihr Sinnbild ein Verkehrsschild, das alle Beschränkungen aufhebt. Mit ihrer Vorstellung von Musik brechen sie Barrieren zwischen Techno und Rock auf. Wie selbstverständlich werden Northern Lite mit echten Songs, lässiger Gitarre und unterkühltem Gesang auf allen Techno-Festivals von Nature One bis Sonne Mond Sterne abgefeiert und sorgen auch im Ausland für enthusiastische Reaktionen. Der Erfolg kommt nicht von ungefähr. Da keine Plattenfirma ihre Vision teilte, wurde mit 1st Decade ein eigenes Imprint gegründet, das inzwischen über 100.000 Platten abgesetzt hat. Mit armut24 ist ein Sublabel hinzugekommen, das auf Clubtracks spezialisiert ist. Offizielle Anerkennung erhielt ihre Arbeit bei den diesjährigen Dance Music Awards, wo die Band zum besten Indie/Electro Act gewählt wurde. Nach dem gefeierten Erstlingswerk "Reach the sun" greifen Northern Lite mit ihrem Folge-Album "Temper" nach neuen Sternen. Die Band steht also mitten im Sonnenlicht - Andreas Kubat und Sebastian Bohn sind dabei Menschen wie du und ich geblieben.
Spricht man über Northern Lite, hört man meist als erstes einen Satz, den ich Euch einfach mal an den Kopf werfe: Ihr seid live besser als auf Platte.
S: Ja, das hören wir in der Tat häufig. Auf Schallplatte sind wir sicher ausgefeilter, live etwas rauher, dafür mit mehr Energie. Wir können damit ganz gut leben – besser als umgekehrt auf jeden Fall. Die Leute finden die Platten ja offensichtlich auch nicht schlecht. Aber wenn man auf eine Veranstaltung geht, möchte man etwas erleben und diese Emotionen kann eine Studioaufnahme gar nicht transportieren.
Was transportiert Euer neues Album "Temper"?
A: Da muss man vielleicht kurz auf den Vorgänger "Reach the sun" zurückblicken. Das war eine Art Compilation von Club-Tracks, die wir über drei Jahre angesammelt hatten und auf der CD zusammengefasst haben. Das Material auf "Temper" dagegen wurde zum Großteil speziell für das Album geschrieben. Wir hatten genauere Vorstellungen davon, wie wir klingen wollten. Wir haben bewusst ausprobiert, was gesanglich und musikalisch noch drin ist.
S: Wir hören an den Reaktionen, dass die Platte durchaus filigraner beim Publikum ankommt. Es drängt sich nicht sofort auf, erschließt sich erst beim zweiten, dritten Hören.
Für den Club sind die Stücke in den auf dem Album vorliegenden Versionen also eher weniger geeignet?
A: "Temper" ist zum Hören zu Hause gedacht. Die Platte ist viel variabler als "Reach the sun". Es ist nicht mehr die ganze Zeit 4/4-Beat mit 130 bpm. Wir haben es etwas aufgesplittet und sind in unterschiedliche Richtungen gegangen. Hier etwas Downbeat wie bei "Mirrorshape" oder auch mal richtig Gas geben wie etwa beim Ghosttrack.
Trotzdem werdet Ihr sicher den Club nicht aus dem Auge verlieren?!
A: Auf keinen Fall. Es wird auch weiterhin Vinyl-Auskopplungen mit speziellen Clubmixen geben, wie wir das bisher auch gemacht haben.
Ihr möchtet stilistische Grenzen überwinden und traut Euch gar zu, ein neues Genre zu definieren, in dem Techno, Rock und Electro verschmelzen. So ganz neu ist der Versuch aber nicht.
A: Es hat natürlich immer etwas mit der Umsetzung zu tun. Es gibt verschiedene Einflüsse, die da zusammenkommen. Wir wollen auch nicht sagen, wir hätten die Tonleiter neu erfunden. Ich denke, die Art der Mischung ist schon neu. Für uns als Musiker ist es aber schwierig, das mit Worten zu erklären, da wir Leute nicht mit Argumenten überzeugen wollen, sondern mit Tönen.
S: Es ist viel von allem im Album enthalten. Es ist Rock drin, es ist Techno drin, es ist sicherlich auch Pop drin. Es mögen sogar manchmal House- und Blues-Elemente untergemischt sein. Wenn man es rein auf die Beats reduziert, ist es größtenteils aber elektronisch.
Eines Eurer Markenzeichen ist die Gitarre – hierfür habt Ihr ein neues Bandmitglied gefunden.
A: Ja, Sascha Littek ist quasi ein Junge von "um die Ecke". Er beherrscht seine Sache wirklich, spielt seit 12 Jahren in eher härteren Bands und passt menschlich prima zu uns.
Was natürlich nicht verschwiegen werden darf: Ihr habt den Dance Music Award als beste Indie/Electro Künstler gewonnen. Habt Ihr das verdient?
S: Wir haben nicht unbedingt damit gerechnet. Wenn man sich die anderen Nominierten so ansieht, hätte ich persönlich auf 2Raumwohnung getippt.
A: (schmunzelnd) Inga Humpe hat ja mit ihrem lasziven Gesang schon gewisse Vorteile.
Den Echo der Musikindustrie in ‚Eurer’ Kategorie haben Rammstein gewonnen. Könnt Ihr irgendeine Ähnlichkeit feststellen?
S: Ich glaube nicht, außer dass vielleicht das Verhältnis von Elektronik und Gitarre bei ihnen genau umgekehrt ist. Dort steht die Rockmusik im Vordergrund, so wie bei uns die Elektronik.
Northern Lite sind also die umgekehrten Rammstein.
S: (lacht) Um Gottes Willen.
Den Echo für den besten Dance Act hat Eric Prydz gewonnen.
S: Der hat ja auch das schönste Aerobic-Video seit Cindy Crawford herausgebracht. Allerdings denke ich, dass der Begriff ‚Dance’ ohnehin oft sehr missverständlich gebraucht wird.
Braucht Techno einen Gala-Abend mit Versace-Klamotten?
S: Für uns persönlich war es natürlich eine tolle Erfahrung und ein sehr schöner Abend. Wir kamen aber auch mit weniger feinem Zwirn ganz gut zurecht.
Indie/Electro ist das Stichwort. Ihr sitzt zwischen allen Stühlen, aber da kann man es sich offenbar ganz bequem machen.
A: Kategorisierungen sehe ich sehr gelassen, da wir schon in so ziemlich jede Schublade gesteckt wurden. Die Bezeichnung ist nicht so wichtig, es muss einfach Spaß machen. Davon abgesehen fühlen wir uns aber im Electro-Lager wohl, da wir aus dieser Ecke stammen. Wir sind alle Front 242 Fans. Ich denke, das wird von den Fans auch wahrgenommen. Das Album wird auch in Alternative-Clubs gespielt.
Verglichen mit der Electro-Szene, seid Ihr aber im Techno-Bereich sehr viel erfolgreicher. Wundert Euch das?
A: Eigentlich nicht. Vor fünf, sechs Jahren haben wir noch ohne Gitarre gespielt und sind auf Techno-Veranstaltungen aufgetreten. Dort hat uns das Publikum eigentlich zuerst gesehen und da hat es sich zuerst rumgesprochen. Alles andere kam dann erst später.
Was ist denn Euer Geheimnis – wie wurde aus einer unbekannten Nachwuchsband ein so gefragter Live Act?
A: Wir haben natürlich auch ganz klein angefangen und für ganz wenig Geld gespielt, manchmal sogar noch draufgelegt, damit wir irgendwo auftreten konnten. Irgendwann ist der Funke einfach übergesprungen. Wir haben ein ganz kleines Konzert gegeben im Sternradio in Berlin. Da waren nur 200 Leute, aber die sind völlig durchgedreht. Es begann sich rumzusprechen und wurde ganz einfach mehr und mehr.
Da könnt Ihr selbstbewusst sagen, dass Ihr eine gute Live-Band seid.
A: Ja, ich denke schon.
Fehlt vielleicht genau etwas von diesem Band-Erlebnis im Techno-Sektor? Laptop-Akrobatik ist für ein Konzert ja nicht eben anheizend.
A: Mag sein, dass das Publikum dies vielleicht weniger gewohnt ist. Allerdings könnte man ja genau davon auch abgestoßen sein – das ist aber nicht passiert. Auch im Club hat sich noch niemand an der Gitarre gestört.
S: Ich denke, dass wir einen gewissen Bogen schlagen – von den reinen Electro- oder Techno-Geschichten in Richtung Rock. Wir haben auch wie eine "echte" Rockband eine solide Fanbasis. Seit einiger Zeit geht die Entwicklung auch zumindest teilweise in Richtung Song-Strukturen. Mit den Neo Pop Compilations haben wir genau solche Songs aus dem großen Feld elektronischer Musik herausgesucht.
Ist Neo Pop mehr als Electroclash?
S: (lacht) Mehr ist gut. Unter Electroclash stellt man sich musikalisch etwas sehr konkretes vor. Neo Pop ist eine offene Sache, die in zehn Jahren etwas ganz anderes sein könnte. Allerdings gibt es Leute, die aus Neo Pop schon eine Art Schublade wie Electro gemacht haben - aber es ist nicht so gedacht. Die Compilations waren dafür gedacht, Musik in dem Kontext unserer eigenen Sachen zu präsentieren.
Geht das nur mit einem eigenen Label?
A: Als wir 1st Decade gründeten, geschah das aus dem Wunsch heraus, überhaupt mal etwas zu veröffentlichen. Irgendwann waren wir von der Situation so gestresst, bei jedem Major abgelehnt zu werden, dass wir aus lauter Trotz gesagt haben, jetzt machen wir selber was. Und die Option, zu einem kleineren Indie-Label zu gehen, war dann irgendwann nicht mehr relevant, weil wir die selben Möglichkeiten mit 1st Decade auch hatten. Und dann wäre es ein Rückschritt gewesen, weil wir nicht mehr so flexibel gewesen wären. Dadurch, dass wir das eigene Label haben, können wir Entscheidungen sehr viel kurzfristiger treffen und die Bands mit einbeziehen.
Das ist auch ein Zeichen für andere: Man kann es packen.
S: Es gehört natürlich Glück dazu. Aber wir haben schon auch das Bedürfnis, den Leuten zu zeigen, dass man selbst etwas tun kann – gerade auch hier im Osten. Man sollte sich nicht unterkriegen lassen.
Glücklicherweise müsst Ihr dadurch nicht mehr als Installateur und Finanzbuchhalter arbeiten. Trotzdem müssen wir noch überprüfen, ob Ihr für die Zukunft gerüstet seid: Könnt Ihr eine Lasagne zubereiten?
S: Nach der Definition sind wir nicht lebensfähig. Ich kann allenfalls Rührei backen und Nudeln mit Tomatensoße kochen.
Kannst Du Deine Klamotten bügeln?
S. Das kann ich eigentlich auch nicht. Ich ziehe meine Sachen so an. Ich habe mir aber neulich ein, zwei Hemden gekauft, die müssten jetzt mal gebügelt werden. Ich muss wohl ein Bügeleisen kaufen und mal schauen, wie das funktioniert. Wie bei den Synthesizern.
Niels 23 - 27. Jul, 21:18