Rezensionen

Mittwoch, 20. Juni 2007

Kloq - We're just physical

kloq
(Out Of Line/SPV)

Mancher glaubt sicher nicht, daß Douglas McCarthy jemals bei einer wirklich schlechten Produktion beteiligt sein könnte. Bei seinem neuerlichen Mikro-Einsatz zugunsten von Kloq schrammt er allerdings nur knapp an einem wirklich schlimmen Souvenir für seine Discographie vorbei. „We’re just physical“ hat die Anmutung einer „Knorrfix“-Tütensuppe– eilig am Fließband zubereitet und dank Dehydration ohne jeden Saft. Etwa so würde ich mir eine Techno-Produktion von James Last vorstellen – gut abgehangen und mit dem Überraschungseffekt der Nachrichten von vorgestern. Da rettet auch ein Remix von Ascii Disko nichts mehr.

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Front Line Assembly - Fallout

fallout
(Metropolis/Alive)

Die Remix-EP zum letzten Longplayer „Artificial Soldier“ ließ nicht nur lange auf sich warten – sie wurde auch ständig größer, bis schließlich ein ausgewachsenes Album zur Welt gekommen ist. Daß Masse nicht gleich Klasse ist, dürfte eine Binsenweisheit sein und in selbige Hecken ist man versucht, die Platte zu schleudern, nachdem man seinen Ohren beim Hören vermutlich nicht getraut hat. Dabei kann man die Schuld ausnahmsweise nicht mal den chronisch talentfreien Plump-Elektronikern von Combichrist zuschieben. Auch die Altmeister Portion Control und Rhys Fulber selbst scheitern daran, den Neuinterpretationen eine gewisse Verve zu verleihen. Es kommt wohl selten vor, daß bei mehr als einem halben Dutzend Beteiligter so konsequent danebengegriffen wird. Die drei bislang unveröffentlichten Stücke wirken zudem lieblos und vorhersehbar. „Fallout“ ist leider ein Total-Ausfall und die wohl bislang schlechteste FLA-Veröffentlichung.

**

Dienstag, 21. November 2006

X-Perience - Lost In Paradise

xpereince
(Major Records)

Was tut man, wenn man keine neuen Hits hat?! Man veröffentlicht eben die alten noch mal. Leider trifft das auf dieser Platte nicht nur auf die drei letzten Stücke „Circles of love“, „Neverending dream“ und „Magic fields“ zu. Auch die übrigen Tracks des Albums sind Variation des immer gleichen Themas – auch wenn X-Perience das nicht zugeben mögen und den Stücken zur Tarnung neue Namen verordnet haben. „Lost in Paradise“ bleibt letztlich der altbekannte Setzkasten aus leicht infantilem Synthie-Pop, Kleinmädchen-Gesang und Texten in Grundkurs-Englisch mit den immer gleichen Themen. Konsequent wie man ist, hat man auch auf die beständige Mischung an Uptempo-Nummern und Balladen geachtet. Nichts gegen schnuffigen Pop an sich – wer aber derart ideenloses Recycling betreibt, muss damit rechnen, an der Tür zum Musikparadies erstmal nach dem Ausweis gefragt zu werden.

*

Samstag, 28. Oktober 2006

Laibach - Volk

volk
(Mute)

Die slowenische Avantgarde-Institution Laibach ist seit einiger Zeit ungewöhnlich produktiv – dabei hatte man sich nach „Jesus Christ Superstars“ (1996) schon fast damit abgefunden, dass eine der mysteriösesten Bands aller Zeiten, die im kommunistischen Jugoslawien lange verboten war, sich für immer in einen Nebel aus Schweigen hüllen würde. Doch 2003 folgte der Meilenstein „WAT“, der neben orchestralem Bombast auch ungewöhnlich viel Club-Potential beinhaltete. Auf diverse DVD-Veröffentlichungen folgt nun ein weiterer Meilenstein. „Volk“ ist ein Konzeptalbum und beinhaltet vierzehn neu bearbeitete Nationalhymnen. Dies erscheint zunächst trocken, wenngleich thematisch typisch Laibach, deren Werk permanent politische und philosophische Fragen der Gegenwart behandelt. Doch simple Coverversionen würden Laibach natürlich nicht gerecht. Es handelt sich um ganz eigene, elektronische Interpretationen, deren Aufhänger jeweils ein Teil der Original-Melodie ist. Das Werk ist in Kooperation mit der ebenfalls slowenischen Band Silence multi-lingual produziert und enthält meist auch einige Passagen der jeweiligen Ursprungssprache. Laibach untersuchen die politische Lage des jeweiligen Landes und liefern Analysen, die nicht jedem schmecken dürften. Laibachs Mission geht also weiter, sie bleiben unbequem, kontrovers und damit eine der wenigen Formationen, die noch etwas zu sagen haben. In ihren eigenen Worten: „We are no humble pop musicians. We don’t seduce with melodies. And we’re not here to please you”. Für manche ist dies Schwerstkultur. Vor allem aber ist es ‚Neue Slowenische Kunst’.

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Freitag, 6. Oktober 2006

Fad Gadget By Frank Tovey

fadgadget
(Mute)

Fad Gadget war 1979 das erste Signing auf dem legendären Mute-Label von Daniel Miller. Die Liste der Bands, die von Elektronik-Pionier Frank Tovey beeinflusst wurden, ist lang. Die Musik von Fad Gadget war experimentell, verstörend, radikal – ebenso, wie die Live-Auftritte. Der an sich zurückhaltende Tovey wurde auf der Bühne zum adrenalingetriebenen Wahnsinnigen, erkletterte Gerüste, besprühte sich mit Schaum und riss sich auch mal Bänder bei wilden Sprüngen ins Publikum. Anfang der 80er ließ er sich von einer unbekannten Nachwuchsband supporten, die dadurch ihre Karriere entscheidend befördern konnte: Depeche Mode. Obwohl seine Leistung hoch bewertet werden muss, blieb er stets bescheiden. Mitte der 80er verabschiedete er sich von seinem Alter Ego und formierte die Folk-Bank ‚Frank Tovey & The Pyros’. Damit verschwand er vorerst von der Elektronik-Landkarte. Zur Jahrtausendwende kehrte Tovey als Fad Gadget zurück auf die Bühnen, um Depeche Mode auf ihrer Exciter-Tour zu begleiten. Ein Kreis schloss sich. Völlig überraschend erlag Tovey kurz darauf einem Herzleiden. Sein Lebenswerk würdigt nun ein Boxset mit 2 CDs und 2 DVDs, auf denen neben einer Dokumentation und Live-Auftritten auch unveröffentlichtes Material zu finden ist. Dass die Elektronik-Welt seine Verdienste nicht vergessen hat, dokumentierte in jüngerer Zeit nicht zuletzt Westbams Remake seines Hits „Collapsing New People“. Ein würdiges Monument für einen großen Künstler.

-ohne Wertung-

Samstag, 9. September 2006

Northern Lite - Unisex

unisex
(Island)

Northern Lite sind mehr als nur Techno-Pop, mehr als nur Rock’n Roll. „Unisex“ ist mehr als „Temper“. Der Sound noch kompakter, der Gesang noch dandyhafter, der Gesamteindruck emotionaler, die Machart abgezockter. Gleich zu Beginn wird atemlos durchgemangelt: Angeheizt mit „What you want“, in den Himmel gehoben vom „Alien Girl“ und in die Moshpit geworfen bei „I don’t remember“, maschinell durchgewalkt zu „1-2-3-4“ und beim rauschhaften „Cocaine“ zu Pulver zerstoßen. Danach darf man seine Teile in einer Atempause andante zusammenraffen, um den Rest des Albums nicht zu verpassen und gleich danach von vorne zu beginnen. Das riecht nach Charteinstieg.

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Donnerstag, 7. September 2006

Nitzer Ebb - Body Rework Remixes

nep_rework
(Novamute)

Das Comeback von Nitzer Ebb ist das Ding des Jahres. Zum Glück ist es nicht bei einer ‚Best of’ (Body Of Work) geblieben. Doug und Bon haben sich für einige Auftritte wieder auf die Bühne gestellt; so wie ihre Musik die Fans mitriss, haben sich die beiden offenbar von deren Reaktionen berauschen lassen. Ergebnis ist die Ankündigung, die Arbeiten an neuem Material aufzunehmen, das in Form einer EP gegen Jahresende erscheinen soll. Da war doch noch was?! Richtig, ein Remix-Album mit dem Who-is-who der Elektronik-Szene. Die Trackliste ist an der Spitze gleich mit dem Kronjuwel besetzt: „Control I’m here“ als ‚Dubfire’s Jamrock Remix’ veredelt die Klangfläche des EBM-Klassikers mit zeitgemäßen Reflexen zu einem neuen Clubmonster. Die meisten Versionen der Novamute-12“-Reihe sind ebenfalls mit von der Partie, allen voran Phil Kierans Übermix von „Murderous“. Teilweise wurden sie nochmal neu bearbeitet, was insbesondere dem Mix von Terence Fixmer („Let your body learn“) gut getan hat. Doppel-Vinyl und CD sind mit abweichender Trackliste bestückt. Bei Tributbezeugungen läuft man oft Gefahr, eine Schicht onkelhafter Nostalgie aufzutragen. „Body Rework“ hat jedoch keine solche Patina, diese Musik lebt. Schade nur, dass sich außer Robag Wruhme (“I thought”) niemand an etwas weniger offensichtliche Stücke herangewagt hat. Sicher wäre es noch interessanter gewesen, einmal etwa „One man’s burden“ oder „Drive“ in einer alternativen Version zu hören, statt zum wiederholten Male „Join in the chant“.

*** *

Donnerstag, 15. Juni 2006

Front Line Assembly - Artificial Soldier

artificial
(Metropolis / Alive)

Wenn Bill Leeb aussieht, als habe er sich in der Mikrowelle gefönt und Rhys Fulber mit Brille und Vollbart abgelichtet wird, kann das nur eins bedeuten. Ich habe allerdings keine Ahnung, was es ist. Doch nun zu etwas völlig anderem. Die kanadische EBM-Legende vollführt eine Rolle rückwärts in Sachen Sound – die meterdick aufgeschichteten Wände von „Civilization“ werden aufgelöst und die Delerium-Elemente herausgebrochen. FLA kommt wieder direkter und härter zur Sache. „Artificial Soldier“ ist hierdurch klanglich in der Zeit einige Jahre zurückgereist, wirkt somit weniger düster und drückend. Nach munteren Lineup-Wechseln in den letzten Jahren sind nun Fulber und Chris Petersen beide mit von der Partie – dazu das neue Mitglied Jeremy Inkel. Außerdem wurden Jean-Luc de Meyer (Front 242) und Eskil Simonsson (Covenant) als Gastsänger engagiert – dadurch gibt es so viel Fräulein Assembly wie noch nie. Neben Jean-Lucs „Future Fail“ tun sich besonders „Buried Alive“ und „Social Enemy“ hervor, die sich in Refrain-Aufbau und Tempo ähneln. So schnell war Front Line Assembly seit „Plasticity“ nicht mehr. Wer das Werk der Band kennt, wird von ihren typischen Patterns nicht mehr überrascht werden können, die sich routiniert mit atomaren Basslinien durch das Album ziehen. An die großen Klassiker „Caustic Grip“ und „Tactical Neural Implant“ kann die neue Scheibe nicht heranreichen. Über die wiedererlangte Lizenz zur Verwüstung werden aber viele Fans erfreut sein.

***

Samstag, 10. Juni 2006

MCL - Different Mixes

mcl
(BOY/ZYX)

Wenn der Name „Westside“ fällt, beginnen Kenneraugen zu leuchten, denn das Label prägte den ‚Sound of Frankfurt’ in den 80er Jahren entscheidend mit. Talla 2XLC, Ralf Henrich (Ra/Hen) und der spätere Camouflage-Produzent Axel Henninger bildeten die Microchipleague, kurz MCL. In gleicher Besetzung wurde übrigens Moskwa TV gestartet. Der Untertitel der CD „The complete collection“ ist ein wenig irreführend, denn es sind nicht alle MCL-Tracks enthalten. Dafür werden hier einige rare Mixe erstmals auf CD veröffentlicht, insbesondere die kultigen Razormaid-Versionen. Wer also bisher immer noch gerne das zerschlissene Vinyl hervorholte, um „Communicate“ oder „New York, New York“ zu hören, wird „Different Mixes“ schnellstens ordern. Die Aufmachung ist leider etwas lieblos geraten. Ein Booklet mit Hintergrundinformationen ist bei einer solchen Veröffentlichung eigentlich Pflicht und der Hinweis „file under Disco Fox“ kann doch nur als Satire gedacht sein, oder etwa nicht?! Es gibt übrigens auch Pläne, das Album „Code Numbers“ nochmals herauszubringen. Wer mehr über das Kultlabel Westside erfahren möchte, sollte die Seite www.thesecondfuture.net besuchen.

-ohne Wertung-

Freitag, 2. Juni 2006

Nitzer Ebb - Body of Work

nep-bow
(Mute)
Menschen sind komisch. So komisch, daß aus guten Freunden sogar Feinde werden können. Nach dem finalen „Big Hit“ jedenfalls gingen Bon Harris und Douglas McCarthy auseinander und wollten nie wieder ein Wort miteinander sprechen. Während Bons Projekt Maven über Ankündigungen nie hinaus kam, verdingte sich Douglas gelegentlich als Gastsänger und startete unlängst mit Terence Fixmer eine zweite Karriere. Doch auch ohne Fixmer/McCarthy hat die Technowelt das Erbe der Briten nicht vergessen. Über die Jahre sind ihre Klassiker nie wirklich aus den DJ-Sets verschwunden. Eine 12“-Serie auf Novamute mit Mixen von The Hacker oder Derrick May offenbart den Stellenwert, den ihre Pionierarbeit noch immer einnimmt. Und die Hörer scheinen für Body Music dank Gigolo & Co so offen wie seit Jahren nicht mehr. Und irgendwann muß dann unmerklich über den alten Zwist so viel Gras gewachsen sein, daß Bon & Doug sich für einige Konzerte wieder gemeinsam auf die Bühne stellen. Wer an den Auftritt im Techno Club 1989 zurückdenkt, kann sich vorstellen, was dies bedeutet. Glücklicherweise hat man sich auch mit Daniel Miller zwischenzeitlich wieder verständigt, so daß das lange auf Eis gelegte Projekt eines ‚Best of’ Albums endlich realisiert werden kann. Fans und Sammler dürften ein wenig enttäuscht sein, denn von den in Aussicht gestellten ‚Raritäten’ ist auf den beiden CDs wenig zu sehen. Ein Anzeichen dafür, daß die Archive leer sind. Aber wer weiß – vielleicht hat die Band neben einer großen Vergangenheit auch noch eine große Zukunft. Für alle anderen gibt es jedenfalls einfach eine Riesenladung vom Besten, was im Bereich elektronischer Musik je veröffentlicht wurde. Learn – choose – build!

-ohne Wertung-

Power Of Voice

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